Nachhaltigkeitspolitik zwischen Kurskorrektur und Kontinuität
16. April 2025
Nach wochenlangen Verhandlungen legten CDU, CSU und SPD am 9. April 2025 ihren Koalitionsvertrag vor. Neben den dominierenden Themen Sicherheit und Migration finden sich darin auch zahlreiche Vorhaben mit Relevanz für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensführung – von Klimapolitik über Lieferketten bis zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Im Folgenden haben wir die zentralen Punkte für Unternehmen zusammengefasst:
Klima und Energie
Die neue Bundesregierung hält am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 fest und bekennt sich zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Vorgesehen sind:
Weiterentwicklung des EU-Emissionshandels (inkl. ETS 2) zur Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen
Verwendung von CO₂-Einnahmen für Förderprogramme (Wohnen, Mobilität) statt Klimageld
Vereinfachung des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) zur Vermeidung von Carbon Leakage
Förderung von CCS- und CCU-Technologien mit entsprechenden Gesetzespaketen
Ausbau der Erneuerbaren Energien über RED III und Erhöhung der THG-Quote
Kohleausstieg bis spätestens 2038 mit zugesagten Strukturhilfen
Stärkung der Energieeffizienz durch steuerliche Anreize
Förderung der Wasserstoffwirtschaft durch pragmatische Regelungen
Klimaanpassung, Energieeffizienz und die strategische Nutzung von Förderprogrammen sollen zielgerichtet weiterentwickelt werden. Klimathemen werden künftig primär vom Umweltministerium verantwortet – die energiepolitische Zuständigkeit verbleibt beim Wirtschaftsministerium.
Lieferketten
Ein grundlegender Wandel ist beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) geplant:
Das nationale LkSG wird aufgehoben
Die Berichtspflicht entfällt vollständig
An seine Stelle tritt die Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)
Diese soll bürokratiearm und vollzugsfreundlich gestaltet werden
Bis zur Umsetzung gelten Sorgfaltspflichten nur noch bei massiven Menschenrechtsverletzungen als sanktionsfähig
Für Unternehmen bedeutet das einen Übergang zu einem neuen regulatorischen Rahmen – bei gleichzeitig reduzierten Anforderungen in der Zwischenzeit.
Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD & Taxonomie)
Die Bundesregierung positioniert sich klar zur Entlastung insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen:
Unterstützung der EU-Omnibus-Initiative
Verschiebung und Reduktion der CSRD-Anforderungen
Einsatz für bürokratiearme Berichtslösungen
Auch die EU-Taxonomie soll vereinfacht und praxisnäher ausgestaltet werden
Für berichtspflichtige Unternehmen ergibt sich daraus weiterhin eine dynamische Lage. Die EU-Vorgaben bleiben bestehen – doch die nationale Umsetzung in Deutschland verzögert sich.
Umwelt- und Naturschutz
Im Umweltbereich setzt der Vertrag auf Freiwilligkeit, Anreize und Eigenverantwortung. Gleichzeitig bleiben zentrale Schutzstandards bestehen. Konkrete Maßnahmen sind:
Fokussierung auf Meeresschutz und Maßnahmen gegen Munitionsaltlasten,
Weiterentwicklung der Wasserstrategie zur Bewältigung von Trockenheit und Wasserknappheit,
Vereinfachung des Umweltgenehmigungsrechts zur Beschleunigung von Verfahren,
Fortführung des Aktionsprogramms natürlicher Klimaschutz, inkl. Moorschutzstrategie,
Maßnahmen zur Effizienzsteigerung bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln durch optimierte behördliche Zusammenarbeit.
Ressourcennutzung & Kreislaufwirtschaft
Die Bundesregierung bekennt sich zur Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft:
Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs
Unterstützung von Rohstoffprojekten in Europa
Investitionen in den nationalen Rohstofffonds
Pragmatische Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie
Digitalisierung zur Schließung von Stoffkreisläufen
Ausbau der Wasserstoffwirtschaft im In- und Ausland
Die neue Bundesregierung verfolgt das Ziel, Nachhaltigkeit stärker über marktwirtschaftliche Anreize und freiwillige Maßnahmen zu fördern. Zugleich werden gesetzliche Anforderungen – etwa zur Berichterstattung oder in Lieferketten – zurückgenommen oder verschoben.
Damit ergibt sich für Unternehmen ein konkreter Spielraum: Nachhaltigkeitsthemen können gezielter vorbereitet, Datenstrukturen aufgebaut und Prozesse schrittweise optimiert werden – bevor neue Anforderungen verbindlich oder aktiv von Stakeholdern eingefordert werden.
Auch wenn einzelne Vorgaben verzögert werden, bleibt ESG ein zentrales Thema unternehmerischer Verantwortung. Die politischen Weichenstellungen bieten die Gelegenheit, ESG-Strategien vorausschauend anzupassen und nachhaltige Prozesse effizient umzusetzen.
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